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Das Denken seiner Zeit

 

Moritz der Gelehrte (1572 - 1632) von Hessen-Kassel, ein an Kunst und Wissenschaft äußerst interessierter Fürst seiner Zeit, Sieben freie Künste eröffnete am 3. Oktober 1599 mit einer gelehrten lateinischen Rede seine Hofschule, das Collegium Mauritianum. Heinrich Schütz, den Landgraf Moritz in Weißenfels entdeckt und als Kapellknaben an den Kasseler Hof verpflichtet hatte, gehörte zur ersten Schülergeneration. Zwischen 1599 und 1608, insgesamt 9 Jahre, besuchte Schütz die Kasseler Hofschule, in der er eine gründliche und vielseitige Ausbildung erhielt.

 

Auf dem Stundenplan standen:

Das im 17. Jahrhundert vermittelte Grundlagenwissen fand eine Einteilung nach dem im Altertum und Mittelalter gebräuchlichen System der Septem Artes Liberales:

 

Sie werden unterteilt in den Dreierweg (Trivium) der sprachlichen Disziplinen

und den Viererweg (Quadrivium) der naturwissenschaftlichen Disziplinen

 

Das Verdienst, die Anzahl der freien Künste erstmals auf sieben festgelegt und damit die bis zum Ende des Mittelalters gültige Einteilung vorgenommen zu haben, geht - wie auch die Personifizierung der einzelnen Wissensgebiete - auf den Karthager Martianus M.F. Capella (um 400) zurück.

Die allegorische Kreisdarstellung der Artes liberales (siehe Deckblatt) ist dem Hortus deliciarium, einer Schrift der Herrad von Landsberg, 1167-1195 Äbtissin des Klosters St. Odilien im Elsass entnommen. Um diese Darstellung finden sich in der Ausstellung zu Leben und Werk von Heinrich Schütz in Bad Köstritz zahlreiche Titelblätter und Einzelseiten von Publikationen des 17. Jahrhunderts angeordnet, die aus der Universitätsbibliothek Jena stammen. Die Menge der unterschiedlichen, der jeweiligen Disziplin zugeordneten Dokumente will verdeutlichen, wie das Anwachsen des Wissens mit Beginn der philosophischen Neuzeit ein Auseinanderbrechen des mittelalterlichen Weltbildes als einer geglaubten und postulierten Einheit von Mikro- und Makrokosmos nach sich zog.

Für die Disziplinen der Artes liberales eröffneten sich damit neue Möglichkeiten der Differenzierung und Verselbständigung. So wandelt sich auch die Wissenschaft Musik zur Kunst Musik. Der Bedeutungs- und Stellenwertwandel der Musik drückt sich in der Darstellung aus dem Jahre 1630 aus:

Das im Mittelfeld enthaltene Zitat Ut Sol inter planetas, Ita MUSICA inter Artes liberales in medio radiat (Wie die Sonne unter den Planeten, so leuchtet die Musik in der Mitte der freien Künste) bezieht sich auf einen Stammbucheintrag, den Heinrich Schütz wiederholt -1627 und 1640 - nach Worten des englischen Epigrammatikers John Owen vornahm. Schütz setzte 1640 den Stammbucheintrag folgendermaßen fort: Optima MUSARUM e reliquis idcirco negatum Artibus a MUSIS MUSICA nomen habens. (Die höchste der Musen ist sie; ihren Namen, den andern Künsten verwehrt, hat allein die Musik von den Musen.)

 

Für die mit Schrifttum der Schütz-Zeit gestaltete Bildwand im Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz wurden Publikationen ausgewählt,

+ die entweder mit Schütz bekannt, befreundet oder verwandt waren,

x die in mittelbarem Kontakt mit ihm standen oder

o deren Schriften ihm als hochgebildeten Musiker und Gelehrten bekannt sein dürften.

 

o Georg ALBRECHT: Handwercks=Zunfft, d.i.: Kurze Erzehl- und Beschreibung der vornehmsten Handwerken, Leipzig 1613.

(1601 - 1647, Veröffentlichung aus der Gesinnung frühbürgerlichen Selbstbewußtseins und Handwerkerstolzes.)

 

o Johann Valentin ANDREAE: Rei publicae Christianopolitanae descripto, Argentor 1619.

(1586 - 1654, dt. luth. Theologe und Schriftsteller, Zentralgestalt der europaweiten Rosenkreutzer-Bewegung, utopischer Versuch, die Ergebnisse der luth. Reformation und die neuen Erkenntnisse der Naturwissenschaften in Übereinstimmung zu bringen und die Veränderung der Welt über tätiges Christentum zu erreichen.)

 

o J. A. B. AUGUSTIANUS: Poetischer Theasaurus Baccherius, Antwerpen 1643.

(Beleg für die Zusammenschau von Poesie und Musik im 17. Jahrhundert.)

 

o Johannes BENTZIUS: De Figuris Libri II, Brüssel 1593.

(1547 - 1599, Figurenlehre, Rhetorik als Grunddisziplin der Poesie und Musik ausgewiesen.)

 

o Jacobus BESSONUS: Theatrum instrumentorum et machinarum..., Lugduni, Vincentius 1578.

(um 1570, Mathematiker, Philosoph und Ingenieur, Professor in Orléans, bildliche Darstellung von Musikinstrumenten und technischen Instrumenten in einem Werk, Kompendium technischer Neuerfindungen.)

 

+ Jacob BÖHME: Tabula principorum, von Gott der großen und kleinen Welt, 1624.

(1575 - 1624, Philosoph, Vertreter eines mit materialistischen Gedanken angereicherten mystischen Pantheismus, Opposition gegen protestantischen Dogmatismus, Böhme kam 1620 an den Dresdner Hof.)

 

x Tycho de BRAHE: Observationes, Ratibor 1672.

(1546 - 1601, Mathematiker, gehörte zu den führenden Astronomen des 17. Jahrhunderts, die ihre Erkenntnisse empirisch begründeten.)

 

o Georg BRAUN: Contrafactur und Beschreibung von den vornehmbsten Sitten der Welt, Lib. III, IV, Köln 1581.

(Ende 16. - Anfang 17. Jahrhundert, Vorläufer des großen Kupferstichwerkes von Matthäus Merian.)

 

o Lucas BRUNNEN: Praxis Perspectiva, Nürnberg 1615.

(vor 1607 - 1640, wissenschaftliche Erklärung perspektivischen Sehens und Darstellung in Städtebildern.)

 

o Giordano BRUNO: De monade numero et figura, Frankfurt 1591.

De Triplici Minimo et mensura ad trium spekulatiuarum scrientiarum, Frankfurt 1591.

(1548 - 1600, italienischer Philosoph, der, ausgehend von der italienischen Naturphilosophie und dem Kopernikanischen System, einen materialistisch orientierten Pantheismus verbreitete. Er wurde als Ketzer verfolgt und 1600 in Rom öffentlich verbrannt.)

 

+ August BUCHNER: Kurzer Wegweiser zur Deutschen Tichtkunst, Jena 1663.

(1591 - 1661, Dichter und Poetik-Professor an der Wittenberger Universität. Er schrieb den Text zu Schütz' Singballett Orpheus und Euridice.)

 

+ Seth CALVISIUS: Musica Artis Apraecepta nova, Jena 1612.

(eigentlich Seth Kalwitz, 1556 - 1615, dt. Komponist und Musiktheoretiker, er war seit 1594 Thomaskantor in Leipzig.)

o Martianus Mineus Felix: Satyricon de nuptis Philologiae..., CAPELLA: Academica Lugduno 1640.

(lebte in Rom zur Zeit Kaiser Leonis Thacis, sein Werk über die sieben freien Künste wurde von H. Grotius mit Anmerkungen versehen und neu herausgegeben.)

 

Johannes CASELIUS: Opera politicaic. Propolitions Paradoxa de nictu et Splendare Principum..., Frankfurt 1631.

(1533 - 1613, Jurist und Philosoph an der Universität Helmstedt. Melanchthon-Verehrer und bedeutender Vertreter humanistischer Bildung.)

 

o D. Balthasar CELLARIUS: Politica, Jena 1661.

(eigentl. Martin Borrhaus, 1499 - 1564, dt. evangelischer Theologe.)

 

+ Georg CRUCIGER: Harmonia linguarum quatuor Cardinalium, Frankfurt 1616.

(1575 - 1637, bedeutender Altsprachler seiner Zeit. Er war Lehrer von Schütz in Kassel. Sein Werk ist ein zeittypischer Versuch, wissenschaftliche Zusammenhänge auch in der Sprache zu begründen zum Beweis der harmonischen Geordnetheit allen Seins und Denkens.)

 

o Renatus DESCARTES: Musica Compendium, 1650.

(1596 - 1650, Philosoph, Mathematiker, Physiker. Er gilt als Begründer der neuzeitlichen Philosophie. Descartes war der erste Theoretiker, der die Wirkung von Musik als Anspruch des Menschen an die Musik formulierte.)

 

x *** Der Fruchtbringenden Gesellschaft/ Nahmen/ Vorhaben/ Gemälde und Wörter..., Frankfurt a. M., Bey Mattheus Merian 1646.

(Die Fruchtbringende Gesellschaft (Palmenorden), älteste deutsche Sprachgesellschaft, nach ital. Vorbild 1617 von einer Gruppe dt. Adliger gegründet zur Förderung der dt. Sprache und aller Ehrbarkeit, Tugend und Höflichkeit, bedeutend auch als Bewegung zur Erneuerung der dt. Kultur nach deren Verfall im 30jährigen Krieg.)

 

x *** Der Fruchtbringenden Gesellschaft: Poetischer Trichter, 1. Theil, Nürnberg 1650.

(Lehrbuch der Teutschen Dicht- und Reimkunst / ohne Behelf der lateinischen Sprache.)

 

o *** Der so nöthigen und nützlichen Buchdruckereikunst und Schriftgießerei, Teil 3, Leipzig 1741.

(Die Titelkupfer zeigen die hohe zeitgenössische Bewertung des Buchdruckes: symbolhafte Darstellung verschiedenster Wirkungsmöglichkeiten des gedruckten Wortes.)

 

o *** Der in der Buchdruckerei wohlunterrichtete Lehrjunge, Leipzig 1743.

 

o Heinrich FABER: Compendium Musicae, 1665.

(vor 1500 - 1558, dt. Kantor, wirkte als Schulmeister und Rektor in Naumburg, Braunschweig und Oelsnitz. Das Compendium war zu Schütz' Jugendzeit ein bekanntes Lehrwerk musikalischen Grundlagenwissens.)

 

o Hermann FINCK: Practica Musica, Wittenberg 1556.

(1527 - 1558, Komponist und Musiktheoretiker. Die Practica Musica war ein musiktheoretisches Lehrwerk protestantischer Kantoreipraxis.)

 

x Galileo GALILEI: Dialogus systemata mundi autore Galileo Galilei, Augustae Troboc 1635.

(1564 - 1642, materialistischer Naturforscher, mit enzyklopädischer Bildung, Physiker und Astronom, Begründer der mathematischen Naturwissenschaften der Neuzeit.)

 

o Thomas GARZONUS: Thomae Garzoni Piazza universale oder Allgemeiner Schawplatz aller Künst, Professionen und Handwerken..., Frankfurt a. M., Merian 1691.

(1549 - 1589, Handwerk und Handel werden im Verständnis frühkapitalistischen Denkens mit den Künsten gleichgesetzt. Das Werk ist ein zeitgenössisches Beispiel für die Erweiterung des Denkens und Tuns vom eigenen Herd zur Welt.)

 

+ Rudolph GOCLENIUS: Appendices, Marpurg 1604.

Problemata Rhetorica, Frankfurt 1586.

(1572 - 1621, Dichter und reformierter Schulphilosoph an der Marburger Universität zur Zeit von Heinrich Schütz, Anhänger von Petrus Ramus)

o Hugo GROTIUS: De jure belli et pacis libri III, Edit. 2, Amsterdam 1631.

(eigentlich Huig des Groot, 1583 - 1654, niederl. Jurist. Als Fortsetzer der Schule von Salamanca gilt er als ein Begründer des modernen Naturrechts und Initiator des modernen Völkerrechts.)

 

x Michael HERTZ: Bibliotheca germanica, Erfurt 1670.

(1638 - 1713, Jurist, Historiker und Theologe, ein Freund von Benjamin (Bruder von Heinrich Schütz), verfaßte die Leichenpredigt zum Tode von Benjamin Schütz 1666.)

 

x Johannes HEVELIUS: Selenographie, Danzig 1647.

(eigentlich Hevel, 1611 - 1687, studierte Jura, 1651 Ratsherr von Danzig, bestbeobachtender Astronom seiner Zeit. Er erarbeitete wissenschaftliche Grundlagen der Mondkunde.)

 

x Henricus Philippus HOENONIUS: Quaestiones seu Controversiae Jures illustres, Herborn 1605.

(starb 1648, Jurist, Professor in Herborn, Lehrbuch aus Schütz' Jurastudium, nach dem er disputierte.)

 

o Bartholomeus KECKERMANN: Dispositiones Orationum sive Collegium oratorium, Hannover 1615.

(1562 - 1609, bedeutender reformierter Theologe und Philosoph, er vertrat den Entwicklungsgedanken unter Ausschluß theologischer Begründungen.)

 

x Johannes KEPLER: Harmonices Mundi, Linz 1619.

Chietias Logarithmorum, Marpurg 1624.

Tabulae Rudolphinae, Ulm 1627.

(1571 - 1630, dt. Astronom, Mathematiker, Physiker und Naturphilosoph, Mitbegründer der neuzeitlichen Naturwissenschaften. Seine Entdeckung der Gesetze der Planetenbewegung begründeten und entwickelten das heliozentrische Weltbild entscheidend mit.)

 

o Athanasius KIRCHER: Neue Hall= und Thon=Kunst/..., Nördlingen 1648.

(1602 - 1680, dt. Jesuit, Professor in Würzburg, Avignon, Rom, Collegium Romanum, wie Kepler und Mersenne einer der großen Universalgelehrten seiner Zeit. Musik wird naturwissenschaftlich untersucht und erklärt, aber - typisch für das Denken der Zeit - im kosmologischen Beziehungssystem interpretiert.)

 

o Lucas LOSSIUS: Erotemata Musicae:..., Nürnberg 1565.

(1508 - 1582, war 50 Jahre lang Rektor einer Lüneburger Schule. Nach diesem Lehrbuch wurde in Weißenfels der musikalische Elementarunterricht erteilt.)

 

o Cornelius MARTINI: Methaphysica, Helmstedt 1638, Amsterdam 1631.

(starb 1621, niederl. Philosoph und Theologe, Begründer der protestantischen Schulmetaphysik. Er trennte in seinen Darstellungen die Metaphysik von der Theologie und bahnte damit naturwissenschaftlichem Denken den Weg.)

 

+ Georg NEUMARK: Poetische Tafeln, Jena 1657.

Fortgepflanzter Musikalisch-Poetischer Lustwald, Jena 1657.

(1621 - 1681, dt. Dichter und Jurist, bekannt mit Simon Dach. Neben recht Durchschnittlichem dichtete er einige empfindsame geistliche Lieder (Wer nur den lieben Gott läßt walten), seit 1656 Kammersekretär in Weimar. Er war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft und Begründer der thüringischen Liederschule.)

 

+ Martin OPITZ: Buch von der Deutschen Poeterey, Breslau 1624.

Der Gekrönte, Frankfurt a.M. Bey Mattheus Marian 1646.

(1597 - 1639, dt. und neulatein. Dichter. Er trat für deutschsprachige Renaissancedichtung ein und war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft. Das Buch von der Deutschen Poeterey galt der Zeit als wichtigstes Lehrwerk zur dt. Poesie. Sein Anliegen, die dt. Sprache als Dichtersprache populär zu machen, brachte ihn zu hohen Ehren. Schütz' Vertonung seines Textbuches Dafne gilt als erste dt. Oper.)

 

o Petrus RAMUS: Dialectic, Arithmetic, Rhetoric, Gramatic, Hannover 1611/12.

Scholae in Artes liberales, Basil 1596.

(1515 - 1572, frz. Philosoph, der die göttliche Offenbarung als die Quelle des Wissens ablehnte und dessen Ansichten erheblichen Einfluß in Deutschland ausübten.)

 

o Johann RHENIUS: Sylloge Rhetorica, Leipzig 1657.

(1574 - 1639, typische Rhetorik-Lehre der Zeit, in der das sprachliche und musikalische Begriffsinstrumentarium großenteils übereinstimmend gebraucht wird.)

 

x Johann RIST: Der Adeliche/Haußvater..., Nürnberg 1650.

(1647 - 1667, dt. Poet und Pastor, hieß in der Fruchtbringenden Gesellschaft der Rüstige und gründete nach ihrem Vorbild 1660 den Elbschwanenorden. Er war ein Verehrer von Schütz.)

 

+ Gregor SCHÖNFELDT: Spiegel der offenbahren unverschämpten Calumnien und Lügen, Marpurg 1608.

(1559 - 1620 oder 1628, einflußreicher reform. Theologe, der in Tat und Schrift für sein Bekenntnis einstand. Er war seit 1599 Rektor des Mauritianums in Kassel.)

 

o Friedrich von SPEE: Cautio criminalis

(1591 - 1635, Jesuitenpater und Lyriker, der die Gerichtspraktiken der Schütz-Zeit anklagte und gegen den Hexenglauben kämpfte.)

 

+ Caspar ZIEGLER: Von den Madrigalen, 1653.

(1626 - 1690, Natur- und Völkerrechtler. Die Vorrede dieser Schrift schrieb Schütz. Die freieren Gesetzmäßigkeiten folgende Madrigaldichtung eröffnete entsprechend neue Möglichkeiten, auf die Zieglers Abhandlung zielt. Caspar Ziegler ist der Schwager von Heinrich Schütz.)